Im NSU-Untersuchungsausschuss wird am 26.06.2017 der ehemalige Innenminister und heutige Ministerpräsident, Volker Bouffier, als Zeuge befragt.

Der CDU-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss, Holger Bellino, hat folgende Erwartungen an die Sitzung:

„Mit der Vernehmung des Zeugen Bouffier haben wir am Montag Vertreter aller Verantwortungsebenen sämtlicher Sicherheitsbehörden, die bei den Ermittlungen im Fall Yozgat beteiligt waren, gehört. Wir haben damit das Handeln der Sicherheitsbehörden aus allen Blickwinkeln heraus beleuchtet, so dass wir uns nach fast 100 Zeugen auf der Zielgeraden des Ausschusses befinden. Laut Einsetzungsbeschluss wird die Frage der Sperrerklärung Kernelement der Zeugenvernehmung sein. Von zahlreichen Zeugen haben wir hierzu bereits gehört, wie intensiv hierzu der Abwägungsprozess innerhalb des Innenministeriums geführt wurde, was sich auch mit den umfangreichen Akten deckt. Wir erfahren auch, wie intensiv und abwägend sich der damalige Innenminister mit der Freigabe der Quellen befasste. Wir werden den Zeugen fragen, welche Argumente für ihn persönlich in dem umfangreichen Abwägungsprozess ausschlaggebend waren, die Sperrerklärung zu erlassen, um dadurch die Quellen nicht zu entarnen. Diese hatte zur Folge, dass die vom Verfassungsschützer Temme geführten V-Leute, die bis auf einen alle im Bereich der islamistischer Terrorabwehr angesetzt waren, nicht direkt aber mittels eines von der Polizei erstellten Fragebogens befragt wurden. Dadurch konnte ihre Enttarnung und damit verbundene Abschaltung mit dem damit verbunden erheblichen Informationsverlust verhindert werden. Zu diesem Sachverhalt wurde Ministerpräsident Bouffier bereits in 2012 von dem Untersuchungsausschuss des Bundestags umfangreich befragt. Wir gehen davon aus, dass er seine damalige Aussage bestätigen und uns die damaligen Beweggründe noch einmal nachvollziehbar schildern wird.“

Hintergrundinformationen:

Ein hochrangiger Verfassungsschützer, der damals im Bundesamt für Verfassungsschutz tätig war, hat ausgesagt, dass die fünf von Temme geführten islamistischen Quellen für die Sicherheit in Hessen und Deutschland von großer Bedeutung waren. So berichtete eine Quelle beispielsweise aus einer Moschee, die Brutstätte für reisewillige Dschihadisten war. Eine leichtfertige Abschaltung dieser Quellen wäre nach Angabe des Verfassungsschutzexperten „hart an der professionellen Unverantwortlichkeit“ gewesen. In Folge der Sperrerklärung mussten diese für den Schutz der Bevölkerung wichtigen Quellen nicht abgeschaltet werden und konnten noch lange wichtige Hinweise liefern. Zum Zeitpunkt - wie auch heute weiterhin - war Hessen, Deutschland und ganz Europa einer hohen islamistischen Bedrohung ausgesetzt. Bereits 2000 konnte ein konkret vor der Ausführung stehender Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt durch die Festnahme fanatischer Islamisten in Frankfurt a. M. vereitelt werden. In der Folge gab es am 11. September 2001 die Anschläge in New York, Virginia und Pennsylvania mit über 3.000 Opfern. Es folgten die Anschläge auf Djerba (2002) mit 21 Toten, darunter 14 Deutsche, und 24 Verletzten, Bali (2002) mit über 200 Toten und mehr als 330 Verletzten, Madrid (2004) mit 191 Toten und ca. 1.600 Verletzten, und London (2005) mit 56 Toten und 528 Verletzten. Im Sommer 2006 war ganz Deutschland über die sogenannten Kofferbomber erschüttert. Wären die Attentäter damals erfolgreich gewesen, wäre ein furchtbares Blutbad mit vielen Toten und noch mehr Verletzten sicher gewesen. Zudem bestand 2006 während der Weltmeisterschaft in Deutschland durch die vielen Großereignisse eine besonders hohe Gefährdungslage. Vor diesem Hintergrund die wichtigen Quellen aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus abzuschalten, ohne dass die Ermittlungsbehörden - auch auf mehrmalige Nachfrage - nicht darlegen konnten, welchen konkreten Erfolg sie sich durch die direkte Vernehmung an Stelle der Vernehmung anhand von Fragebögen der Polizei durch Verfassungsschutzmitarbeiter versprachen, hätte zu einem unkalkulierbaren Sicherheitsrisiko in Hessen geführt.

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